Ein ungewohntes Bild im Münsterland: Nahe dem Hof Schwienhorst in der Hoetmarer Bauerschaft Lentrup blüht auf einem Feld Lein. Ende Juli werden die Leinsamen geerntet, im September sollen sie in der Ölmühle auf dem Freckenhorster Hof Lohmann zu Leinöl gepresst werden.  

 „Die Glocke“ vom 09.06.2018: Auf Hoetmarer Feld wächst wieder Lein

Von unserem Redaktionsmitglied

RITA KLEIGREWE


Hoetmar (gl). „Es macht schon Spaß, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Georg Schwienhorst und schaut auf das Feld nahe seinem Hof in der Bauerschaft Lentrup. Zarte blaue Blüten schauen aus dem Grün hervor. Ein schönes, aber ungewohntes Bild, denn Lein wird im Münsterland eher selten angebaut. „Als die Textilfirmen in Freckenhorst noch existierten, gab es in der Umgebung noch viele Leinfelder“, weiß Detlef Grabbe. Denn aus der Faser der Pflanze wurde Leinen gefertigt und weiterverarbeitet. Als die Produktion eingestellt wurde, gab es für die Landwirte auch keinen Grund mehr, Lein anzubauen. Die Pflanze geriet in Vergessenheit. Das will Grabbe ändern. 


Der Ennigeraner produziert mit seiner Ölmühle auf dem Hof Lohmann Leinöl. „Leinöl enthält viele Vitamine und ungesättigte Fettsäuren und hat einen besonders hohen Anteil an Omega3-Fettsäure–das schmeckt nicht nur gut, sondern ist auch sehr gesund“, sagt er. Deshalb hat der studierte Maschinenbauingenieur, der sich in seinem Berufsleben viel mit Maschinen zur Lebensmittelherstellung beschäftigt hat, nach dem Eintritt in die Rente eine Ölmühle angeschafft und ist in die Leinölproduktion eingestiegen.

 



 Einziges Problem: Die Leinsamen musste er sich größtenteils im Ausland besorgen. „Aber ich wollte gern regional produzieren“, erklärt er. „So, dass ich den Kunden sagen kann, bei welchem Bauern der Lein wächst und sie

sich–wenn sie wollen – vor Ort anschauen können, dass alles biologisch läuft.“ 


So wie bei Georg Schwienhorst, zu dem Grabbe über die Freckenhorster Werkstätten in Kontakt kam. Vor drei Jahren hat der Hoetmarer seinen Familienbetrieb auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Ein langwieriger Prozess. „Bisher war noch alles,

was von unseren Feldern kam, als Umstellungsware gekennzeichnet“, erzählt er. „In diesem Jahr darf ich zum ersten Mal Bioware für Lebensmittel liefern.“ Da kam die Anfrage von Detlef Grabbe, der neben dem Hof Steinhorst in Westkirchen einen weiteren biologischen Leinproduzenten suchte, gerade zur passenden Zeit. Seit auf dem Hof ökologisch gearbeitet wird, sind beim Getreide solche Spitzenerträge wie früher nicht mehr zu erreichen. „Dafür suchen wir Nischen, in denen wir mit unseren Stärken punkten können“, erklärt der staatlich geprüfte Landwirt.

Und das hat bisher gut geklappt.

 Den blühenden Lein zeigt Landwirt Georg Schwienhorst. 

Den blühenden Lein zeigt Landwirt Georg Schwienhorst. 

Im alten Standardwerk gab es Informationen zum Leinanbau. 

 Anbauanleitung aus alter Zeit 

Hoetmar (rik).  Während nach dem Wegfall der Produktionsquoten die Preise für Zuckerrüben aus konventioneller Produktion drastisch gesunken sind, sind Rüben aus biologischem Anbau, wie sie auf dem Hof Schwienhorst produziert werden, stark gefragt. Zudem baut der Hoetmarer Bio-Soja an, das für die Tofu-Produktion

an die Firma Berief in Beckum geliefert wird. „Man hat eine Menge Möglichkeiten, aber natürlich muss sich das alles auch lohnen“, betont Schwienhorst, dass er auch den ökonomischen Aspekt immer im Blick hat. Wie das beim Lein aussieht, muss sich erst noch herausstellen.

Erfahrungswerte gibt es nämlich ebenso wenig wie es in der aktuellen Fachliteratur Informationen über den Anbau von Lein gab. „Als Detlef Grabbe mit der Idee auf mich zukam, habe ich erstmal ein altes Buch von meinen Schwiegereltern ausgeliehen“, berichtet Georg Schwienhorst mit einem Schmunzeln. 

In der „Rationellen Landwirtschaft in Wort und Bild“ aus den 1930erJahren fand der 45-Jährige, was er suchte. Nach den Anweisungen aus dem traditionellen landwirtschaftlichen Standardwerk wurde der Lein am 9. April auf einer Fläche von vier Hektar ausgesät.

Nach 50 Tagen kamen die ersten blauen Blüten, 50 Tage später wird dann geerntet. „Wenn es in den Kapseln raschelt, dann ist es soweit“, sagt Schwienhorst und ist schon gespannt darauf, wie die Ernte der kleinen Samen laufen wird und wieviel tatsächlich zusammenkommt. So geht es auch Detlef Grabbe, der Anfang September die ersten regionalen Leinsamen aus Hoetmar in seiner Mühle auf dem Hof Lohmann zu Öl pressen will. „Die Zusammenarbeit mit den regionalen Landwirten macht wirklich Spaß“, sagt er und hofft, dass auf die erste Leinernte noch viele weitere folgen werden.

Von kurzer Dauer ist die Leinblüten-Pracht. Nach wenigen Stunden fallen die Blütenblätter zu

Boden. Georg Schwienhorst (kleines Foto, l.) baut im Auftrag von Detlef Grabbe auf vier

Hektar Lein an. Fotos: Joke Brocker

Westfälischen Nachrichten vom 15.06.2018: Alte Kulturpflanze blüht wieder auf

In Hoetmar wird Lein angebaut und auf Hof Lohmann zu Öl gepresst

Von Joke Brocker

HOETMAR. Mit etwas Glück erlebt man in diesen Tagen in der Bauerschaft Lentrup (s)ein „Blaues Wunder“. Auf einem Feld unweit des Hofes der Familie Georg Schwienhorst blüht der Lein. „Vor 200 Jahren sah es noch vielerorts im Münsterland so aus. Allein in Freckenhorst gab es 174 Leineweberstühle“, erzählt Detlef Grabbe, während er den Blick über das hellblaue Blütenmeer schweifen lässt.


Dass man im Münsterland nun wieder Fahrten ins Blaue unternehmen kann, die diesen Namen tatsächlich verdienen, ist dem 59-Jährigen zu verdanken. Und zwei Landwirten, die in seinem Auftrag auf ihren Feldern in Hoetmar und Westkirchen wieder die uralte Kulturpflanze, Heilpflanze des Jahres 2005, anbauen. Immer schon hat sich Grabbe, der aus Ennigerloh stammt und 30 Jahre lang als Maschinenbauingenieur bei Westfalia Separator in Oelde beschäftigt war, für Lebensmittel, deren Herkunft und gesunde Ernährung interessiert. Wie die Altvorderen, die sich noch natürlich ernährten, genießt er Pellkartoffeln und Quark oder Erbsen und Möhren am liebsten mit einem Schuss Leinöl. „Das schmeckt, ist sehr gesund und macht glücklich“, behauptet er. Tatsächlich hat das vitaminreiche Leinöl, noch vor 100 Jahren das einzige Öl Deutschlands, einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren.


Nachdem er sich im Spreewald, wo sich das Leinöl, ähnlich wie die Spreewald-Gurke, längst als Marke etabliert hat, über Lein, auch Flachs genannt, und die Herstellung des gesunden Öls informiert hatte, legte sich Grabbe eine eigene Ölmühle zu. Diese steht auf dem zu den Freckenhorster Werkstätten gehörenden Hof Lohmann. Mit Hilfe der modernen Schneckenpresse produziert er zurzeit wöchentlich neun Liter naturbelassenes, kaltgepresstes Leinöl. „20 Liter pro Woche sind im ersten Jahr mein Ziel“, sagt er. Hochgerechnet aufs Jahr wären das 1000 Liter, für die er drei Tonnen Saat benötigt.


Bisher bezog der Leinöl-Produzent den Rohstoff aus dem EU-Ausland. Auf Dauer möchte er aber regional produzieren. Auch, um seinen Kunden, für die er auf dem Hof Lohmann regelmäßig Verkostungen anbietet, vor Ort zeigen zu können, wo der Lein wächst. Einer seiner Partner ist Landwirt Josef Steinhorst in Westkirchen. Ein zweiter Georg Schwienhorst aus Hoetmar, der seinen Betrieb vor drei Jahren auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat und unter anderem Bio-Soja für die Tofu-Produktion der Firma Berief in Beckum anbaut.

Im April hat der experimentierfreudige Schwienhorst, der in diesem Jahr erstmals Bio-Ware für Lebensmittel liefern darf, zum ersten Mal Lein und Leindotter auf einer vier Hektar großen Fläche ausgesät. Während Detlef Grabbe auf das Buch „Leinöl macht glücklich“ zurückgreifen konnte, um sein Wissen über das „blaue Ernährungswunder“ zu erweitern, suchte Georg Schwienhorst vergeblich nach aktueller Fachliteratur über Aussaat und Ernte des Leins. Doch zum Glück befand sich in der Bibliothek seines Schwiegervaters ein Nachschlagewerk aus den 30er-Jahren, mit dem er Wissenslücken stopfen konnte.


Und offenbar ist die Umsetzung der Theorie in die Praxis geglückt. Genau 50 Tage nach Aussaat blühten, wie im Handbuch beschrieben, die ersten Blüten. Nach der Blüte dauere es weitere 50 Tage bis zur Ernte. In den Kapseln müsse es rascheln, wissen Schwienhorst und Grabbe. Dann sei der optimale Ernte-Zeitpunkt gekommen.


Mit welchen Maschinen die Ernte der Samen vonstatten gehen wird, weiß Schwienhorst noch nicht genau, ahnt aber, dass es kompliziert werden könnte. Sein Schwager ernte regelmäßig Hanf, ebenfalls eine Faserpflanze, die sich gerne um alle rotierenden Teile der Erntemaschinen wickele. Nach der Ernte sollen die Samen, getrocknet, gereinigt und in Big-Bags verpackt, auf den Hof Lohmann in Freckenhorst geschafft und dort gemahlen werden. Mitarbeiter der Werkstätten füllen das Öl in Flaschen gefüllt, die abschließend etikettiert werden. Das beim Mahlvorgang anfallende Pressgut wird zu Leinpresskuchen, Zufutter für Pferde, verarbeitet. Geht es nach Grabbe und Schwienhorst, soll mittelfristig auch das Leinstroh genutzt werden. In der Textilindustrie, die Hanf- und Lein-Fasern wiederentdeckt hat.


Eine Erkenntnis hat Landwirt Georg Schwienhorst schon jetzt gewonnen: Das Leben einer Eintagsfliege währt länger als das der zarten Lein-Blüten. Schon nach wenigen Stunden ist das Blaue Wunder Vergangenheit.

Aus Leindotter (oben links) und Leinsaat (unten links), hier neben Ackerbohne (oben rechts) und Sojabohne (unten rechts) werden in der Warendorfer „Ölmühle“ Leinöl und Leindotteröl produziert.

Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl

Zutaten: 1,2 Kilo Pellkartoffeln,

500 Gramm

Quark, 3 EL Milch, evtl.

saure Sahne oder

Schmand, etwas Salz, etwas

weißer Pfeffer,zwei

kleine Zwiebeln, 1 Bund

frischer Schnittlauch, 4 EL

frisches Leinöl.

Zubereitung: Den Quark mit der Milch oder, je nach Geschmack, saurer Sahne oder Schmand anrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. Dazu frisch gehackten Schnittlauch und in kleine Würfel geschnittene Zwiebeln reichen. Nach dem Anrichten über jede Portion Quark einen Löffel Leinöl geben.